Zwei junge Frauen mit dunklen Haaren lächeln, sehen sich sehr ähnlich
Sind sie Doppelgänger? Verwandt? Zwillinge? Jedenalls sehen sich die beiden Frauen sehr ähnlich. Bildrechte: Colourbox.de

Der Redakteur | 02.05.2024 Warum wir keine sieben Doppelgänger haben

02. Mai 2024, 16:40 Uhr

Jeder habe sieben Doppelgänger, diese These hält sich hartnäckig. Manchmal ist auch von neun Doppelgängern die Rede. Ursprung ist aber in beiden Fällen eine australische Studie, die das gar nicht untersucht hat.

Thomas Becker
Bildrechte: MDR/Christoph Falkenhahn

Teghan Lucas und Maciej Henneberg von der Universität Adelaide in Australien wollten 2015 eigentlich analysieren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass bei zwei Personen möglichst viele Gesichtsmerkmale übereinstimmen. Hintergrund der Fragestellung war die zunehmende Verbreitung von Gesichtserkennungssoftware und deren Zuverlässigkeit. Rund 4.000 vermessene Gesichter einer Militär-Datenbank lieferten die Daten, es ging darin unter anderem um Größen und Abstände zwischen Ohren, Nase, Augen, Lippe usw.

With the combination of four facial dimensions, it is possible to achieve a probability of finding a duplicate of the order of 10-7, while, the combination of 8 traits reduces probability to the order of 10-14, that is less than one in a trillion.

Australische Studie über "Doppelgänger"

Heißt: Bei der Betrachtung von vier Gesichtsmaßen ist es möglich, mit einer Wahrscheinlichkeit von 10-7 = 1:10.000.000 einen Doppelgänger zu finden. Also, dass unter zehn Millionen Menschen einer ist, der exakt die gleichen vier Maße hat. Aber mit vier Maßen haben wir natürlich noch keinen Doppelgänger. Doch wie viele sind dafür nötig? Acht? Zwölf oder noch mehr?

Senior mit Strohhut vor jungem Mann
Die beiden sehen sich auch ähnlich - es sind Vater und Sohn. Bildrechte: Colourbox.de

Schon bei acht übereinstimmenden Gesichtsmaßen, so die Wissenschaftler, landen wir bei astronomischen 10-14  = 1:100.000.000.000.000. So wahrscheinlich ist es, dass noch jemand exakt die gleichen acht Werte hätte.

Zur Erinnerung: Die Weltbevölkerung liegt aktuell "nur" bei etwas über 8.000.000.000 (acht Milliarden). Das heißt, wir bräuchten einige tausend Weltbevölkerungen, um statistisch einen einzigen Doppelgänger sicher zu finden. Nix also mit gleich sieben Doppelgängern in unserer einen Weltbevölkerung. Der Irrtum ist wohl letztlich auch durch unterschiedliche Bedeutungen von Milliarde, Billion und Trillion im Englischen (und anderen Sprachen) und im Deutschen entstanden.

Wieso gibt es trotzdem so viele "Doppelgänger"?

Jürgen Tebbe aus Bonn hat eine Doppelgänger-Agentur. Hier können interessierte Spaßvögel aus der ganzen Welt prominente Doppelgänger buchen, für Veranstaltungen aller Art. Der Anlass dafür, ins Doppelgängergeschäft einzusteigen, war seine Ähnlichkeit mit DJ Ötzi. Er hat mittlerweile mehrere hundert Doppelgänger unter Vertrag, die entweder nur so aussehen oder sich auch noch so benehmen wie die Originale, in der Regel zum Beispiel als Gesangs-Double auftreten.

Also man kann sagen, ich habe Zugriff auf fast 2.000 Doppelgänger weltweit.

Jürgen Tebbe, Inhaber Doppelgänger-Agentur

DJ Ötzi
DJ Ötzi, der Originale, hat Jürgen Tebbe aus Bonn zu seiner Doppelgänger-Agentur inspiriert. Bildrechte: IMAGO / Bildagentur Monn

Er achtet sehr darauf, dass die Ähnlichkeit nicht nur auf Fotos besteht, sondern auch, wenn es dreidimensional wird, sagte er im MDR-Interview. Und genau das ist der Punkt: Ähnlichkeit ist nicht Gleichheit. Wir sind schlicht nicht in der Lage, mit unseren Augen quasi millimetergenau "zu messen", wir sehen über die kleinen Unterschiede hinweg, ähnlich reicht uns, damit einer "exakt genauso" aussieht. Gesichtserkennungssoftware ist da kritischer unterwegs.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) mit seinem amerikanischen Doppelgänger Chris Coons, Senator im Bundesstaat Delaware 5 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/Bundesregierung
5 min

Jürgen Tebbe betreibt eine Doppelgänger-Agentur und hat weltweit Zugrif auf fast 2.000 Doppelgänger.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Do 02.05.2024 16:40Uhr 05:25 min

https://www.mdr.de/mdr-thueringen/audio-redakteur-doppelgaenger-agentur-tebbe-100.html

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Die Gene der Doppelgänger

Manel Esteller, Professor für Genetik an der Universität Barcelona und Direktor eines Leukämie-Forschungsinstituts, und seine Kollegen wollten es genauer wissen. Sehen sich "Doppelgänger" nur ähnlich oder sind Sie es auch genetisch? Sie kontaktierten 32 Doppelgänger-Paare, die der kanadische Künstler François Brunelle für ein Kunstprojekt fotografiert hatte.

Browserfenster mit geöffnetem Instagram-Account von Francoise Brunelle mit drei Fotos auf denen Doppelgänger-Paare in schwarz-weiß als Porträt zu bzw. in Scherenschnitt-Optik zu sehen sind.
Blick auf den Instragram-Kanal von Francoise Brunelle - der für ein Kunstprojekt mehrere Doppelgänger fotografiert und in Szene gesetzt hat. Bildrechte: Screenshot

Die Forscher ließen umfangreiche Fragebögen ausfüllen und überprüften die Ähnlichkeit der Doppelgänger-Paare mithilfe von drei verschiedenen Gesichtserkennungsprogrammen. Bei 16 Paaren erkannten alle drei Software-Programme eine hohe Ähnlichkeit.

Die Wissenschaftler führten bei den 16 Paaren verschiedene Erbgut-Analysen durch. Bei neun von ihnen, die die Forscher als "Ultra"-Doppelgänger bezeichneten, fanden sie sogar in vielen Genvarianten Übereinstimmungen. Ein Großteil davon in den Abschnitten des Erbguts, in denen es um das Aussehen des Gesichts geht, also Nase, Lippen, Wangen, aber auch Augenfarbe oder Körpergröße.

Zwei absolut "gleiche" Menschen waren aber auch hier nicht dabei. Auch vom Gesicht her nicht. Faszinierend bleiben die Ähnlichkeiten trotzdem. Und noch etwas ist bemerkenswert: Zwar haben im Englischen die Zahlwörter eine andere Bedeutung als bei uns, ist deren Billion bei uns nur eine Milliarde wert, aber "Doppelgänger" heißt auch im Englischen "Doppelganger", entlehnt aus dem Deutschen. Die Universität von Adelaide verwendete sogar das "ä" und schrieb in ihrem Artikel über die missverstandene Studie "Doppelgänger".

MDR THÜRINGEN (ifl)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 02. Mai 2024 | 16:40 Uhr