recap Weihnachten mit der Familie: Wie wir besser streiten

23. Dezember 2022, 15:20 Uhr

Geschenke besorgen, einkaufen, kochen – der Stresspegel zu Weihnachten ist hoch. Und oft kommt es in der Familie auch zu Streit, Diskussionen und Missverständnissen. Warum ist das so? Und streiten wir heftiger als früher?

Weihnachten gilt als das Fest der Liebe und Besinnlichkeit – in der Realität sieht das aber oft anders aus. In einer YouGov-Umfrage haben 25 Prozent der Befragten angegeben, dass es bei ihnen regelmäßig während der Feiertage Streit gibt. Unter Paaren ist das offenbar noch häufiger der Fall: In einer britischen Studie wurden 3.000 Paare befragt, wie oft sie im Dezember streiten. Ergebnis: Im Schnitt viermal am Tag.

Ein Grund dafür ist der akute Stresspegel zur Weihnachtszeit. So sind die Erwartungen hoch, dass alles perfekt sein muss und viele Dinge müssen noch erledigt werden, meint der Psychologe Philipp Yorck-Herzberg in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Der Druck entlade sich also schon bei Nichtigkeiten. Auch der Psychologe Lukas Klaschinski, der mit Stefanie Stahl den Podcast "So bin ich eben" macht, erklärt, dass unser Gehirn darauf ausgelegt ist, nur die negativen Sachen zu sehen. Wenn wir also schon vorher erwarten, dass wir uns streiten, werden wir solche Situationen auch besonders oft wahrnehmen.

In unserer Familie wünschen wir uns ganz oft Zuneigung, wir wünschen uns Wohlwollen. Und wenn die nicht kommt von Menschen, die uns nahestehen, reagieren wir darauf besonders empfindlich.

Lukas Klaschinski Podcaster und Psychologe

Dazu kommt, dass Menschen aufeinandertreffen, die sich sonst nicht so oft sehen und zum Teil sehr unterschiedliche politische Ansichten haben. Für solche Fälle empfiehlt Giulia Silberberger von "Der Goldene Aluhut" – einer Organisation, die über Verschwörungsmythen aufklärt: "Lasst euch immer die Option offen, diese Gespräche abzubrechen, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder zu sagen: 'Ich sehe, wir kommen an diesem Punkt einfach nicht zusammen, lass uns doch einfach erstmal einig sein, dass wir uns uneinig sind.'"

Knapp zwei Drittel sehen den Zusammenhalt gefährdet

Aber sind die Streits nach zähen Jahren in der Corona-Pandemie oder durch den Ukraine-Krieg heftiger als früher? Was den gesellschaftlichen Zusammenhalt betrifft, sind die Menschen in Deutschland offenbar pessimistisch. In einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD im November 2022 gaben 64 Prozent der Befragten an, der gesellschaftliche Zusammenhalt sei "eher schlecht" oder "sehr schlecht". Dass wir deshalb aber heftiger streiten als früher, verneint Daniel Privitera, der Gründer von "Streitgut" – einer Wissens- und Ratgeber-Plattform, auf der es ums Streiten geht.

Die gute alte Zeit der konstruktiven und immer lösungsorientierten Meinungsverschiedenheiten, die gab es eigentlich nie wirklich.

Daniel Privitera, "Streitgut"

Gleichwohl betont auch Privitera: "Was ich aber auch ganz sicher glaube: Es gibt viel Luft nach oben in unserer aktuellen Streit- und Diskussionskultur."

Ton in den sozialen Medien ist rau

Einen Unterschied gibt es dabei vor allem in der Art, wie wir im Alltag streiten und wie wir uns in sozialen Medien begegnen. So sind immer mehr Menschen von Hatespeech betroffen und werden im Netz Ziel von Attacken. Am häufigsten trifft es jüngere Personen zwischen 16 und 22 Jahren, wie Wissenschaftler der Uni Leipzig herausfanden. Den Eindruck, dass dies der Ton in allen Familien sei, nennt Kommunikationsforscherin Veronika Karnowski von der Uni Erfurt aber eine "kolossale Fehlwahrnehmung".

Wie können wir trotzdem besser streiten, wenn zur Weihnachtszeit doch mal die Fetzen fliegen? Das beantworten wir in der aktuellen Folge recap.

Dieses Thema im Programm: recap bei Youtube | 23. Dezember 2022 | 17:00 Uhr

1 Kommentar

Lyn am 23.12.2022

Besser zanken und die Fronten klären als es herunterschlucken und daran ersticken.
Letztendlich macht der Ton die Musik, und es ist durchaus möglich, sich höflich zu zanken.

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