Besucher schwimmen durch das Schwimmerbecken
Viele Freibäder in Sachsen-Anhalt sind marode. Bildrechte: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Marode Schwimmbäder Niederndodeleber Freibad öffnet wieder nach sieben Jahren Pause

01. Mai 2024, 05:00 Uhr

Seit den 90er Jahren sind nach Schätzungen des DLRG allein in Sachsen-Anhalt rund 100 Schwimmbäder von der Bildfläche verschwunden. Viele zu marode, viele zu teuer. Und einmal stillgelegt bedeutete fast überall das Aus für immer. Hinzu kommt ein gewaltiger Sanierungsstau. Das alles hat Folgen – für die Sicherheit im Wasser und auch für die Daseinsvorsorge. Unsere Sachsen-Anhalt-Korrespondentin war für uns in einem Freibad, das nach sieben Jahren Pause nun wieder eröffnet wird.

16 Grad Wassertemperatur zeigt das blaue Thermometer im Becken an. Es ist eines der wenigen Dinge, die vom alten Niederndodeleber Freibad übriggeblieben sind. Seit 2017 wurde hier nicht mehr geschwommen und geplanscht. Jetzt macht es wieder auf: "Es ist alles komplett neu", sagt Florian Pötzsch, Vorsitzender des Schwimmbadvereins Schrotetal, "in das alte Becken wurde ein Edelstahlbecken eingebaut, dann gibt es ein neues Technikgebäude, ein neues Funktionsgebäude – eigentlich ist alles komplett neu." Die Kosten: Rund fünf Millionen Euro: "Ohne Förderung wäre es nicht gegangen", so Pötzsch.

Überhaupt möglich wurde die Sanierung durch die sogenannten LEADER-Mittel von der EU und auch Bundeszuschüsse. Vor allem aber durch die Hartnäckigkeit, das starke Engagement und auch viel Ehrenamt vor Ort, betont Florian Pötzsch. "Das wurde auch gewollt von der Bevölkerung hier und ist nicht nur ein Projekt von irgendwem, sondern die Bevölkerung steht dahinter."

Sanierungsstau bei Schwimmbädern

Ein neues, altes Schwimmbad – das gehört in Sachsen-Anhalt eher zu den Ausnahmen. Nach wie vor ist der Sanierungsstau gewaltig. Schon 2022 lag er laut Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Linken bei rund 150 Millionen. "Und es ist eher mehr Bedarf als noch vor zwei Jahren, definitiv", sagt Linken-Finanzexpertin Kristin Heiß.

Sie fordert generell eine bessere Ausstattung der Kommunen. Denn Bäder gehören zu den freiwilligen Aufgaben und stehen recht weit oben auf der Streichliste in Zeiten knapper Kassen. Weil aber das Schwimmen lernen, so Heiß, ganz klar zur Daseinsvorsorge gehört, fordert sie einen Rettungsfonds für Bäder: "Da muss das Land ran. Da ist schon länger der Zeitpunkt, dass das Land dort auch reingehen muss und die Finanzierung mitstemmen muss."

Unstimmigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen

Stefan Ruland, finanzpolitischer Sprecher der CDU im Landtag, sieht bei den Kommunen eine Mitverantwortung für den Investitionsstau. Allerdings sei im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und FDP ohnehin ein Sonderprogramm für Schwimmbäder vorgesehen. Nur: Viel Zeit für die Umsetzung bleibt nicht mehr. Sowohl im Innen-, als auch im Finanzausschuss ist das Thema erst einmal von der Tagesordnung genommen worden. Und die Legislaturperiode endet in zwei Jahren. Bis dahin wird es noch einen Doppelhaushalt geben – dann auch mit Schwimmbadförderung, so Ruland. "Wir sind uns dem Grunde nach einig, aber über die Höhe diskutieren wir noch."

Für die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Finanzierung hat Holger Friedrich, Geschäftsführer der DLRG in Sachsen-Anhalt wenig Verständnis. Kinder müssten schwimmen lernen, der Rettungs- und Katastrophenschutz brauche Orte zum Trainieren – und dafür brauche es nunmal funktionierende Bäder. "Und dann kann es doch eigentlich nicht sein, dass die Grundlagen, wo wir ausbilden können, also die Schwimmhallen und Freibäder, eine freiwillige Leistung sind. Das passt einfach nicht und deswegen muss man nachdenken, dass man die Bäder ähnlich wie Krankenhäuser als Daseinsvorsorge sieht, um vielleicht gemeinsam zwischen Bund, Land und Kommunen eine gesicherte Finanzierung hinzubekommen."

Höhere Nicht-Schwimmer-Quote wegen Corona-Pandemie

Gleichermaßen gelte es, die Corona-Folgen aufzuarbeiten: Statt zuvor 90 Prozent liege seinen Schätzungen zufolge die Schwimmer-Quote am Ende der Grundschulzeit nur noch bei 75 Prozent. Für ihn ist klar, dass Lippenbekenntnisse oder einmalige Aktionen nicht weiterhelfen werden: "Da reicht's eben nicht mehr, dass wir sagen, wir wollen da irgendwas tun, nein, wir müssen. Ansonsten werden wir in fünf Jahren einen noch schlechteren Stand haben."

Zurück nach Niederndodeleben. Dort gibt es wieder die Möglichkeit schwimmen zu lernen, schwimmen zu trainieren. Vereinschef Pötzsch rechnet mit einem großen Andrang, wenn sich die Tore des Bades an Pfingsten öffnen: "Die sind unterbadet die Leute. Nicht unterzuckert, sondern unterbadet, die wollen endlich wieder herkommen."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. Mai 2024 | 07:09 Uhr

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