Mann neben Schild
Marco Metzler vom Stadtmarketing Oederan zeigt stolz eine der Infotafeln für den neuen Wildkäuterpark in der Oederaner Innenstadt. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Innenstadtbelebung Schön, aber menschenleer: Wie Oederan seine Innenstadt aufpeppen will

23. März 2023, 16:41 Uhr

Der Wettbewerb "Ab in die Mitte", mit dem Sachsen die Innenstädte beleben will, ist in Oederan gestartet. Zum 20. Mal werden Ideen gesucht, wie die Innenstädte attraktiver werden können. Oederan reicht seit vielen Jahren Ideen ein und hat schon öfter gewonnen. Das wollte sich MDR SACHSEN-Reporterin Anett Linke ganz genau ansehen.

Ich treffe Marco Metzler vom Stadtmarketing Oederan im Einkaufspark "Zur Stanze". Viel ist gerade nicht los, außer uns beiden sehe ich nur eine weitere Frau. Zwar gibt es einige kleine Läden, aber der Imbiss ist geschlossen und die einstigen Verkaufsflächen eines Einkaufsmarkts stehen schon eine Weile leer. Das soll sich ab Pfingsten ändern: Auf den 800 Quadratmetern soll ein Markt mit regionalen Lebensmitteln, einer Milchtankstelle und einem Mittags- und Kaffeeangebot entstehen. Entwickelt wurde die Idee bereits 2016 für den Wettbewerb "Ab in die Mitte! Die City-Offensive Sachsen", sagt Metzler. Die Umsetzung ließ aber bis jetzt auf sich warten.

"Wir hoffen, dass einige, die bislang nur durch Oederan durchfahren, dann beim Regionalmarkt anhalten", erklärt Metzler. "Und vielleicht in dem ein oder anderen Laden auch noch etwas mitnehmen." Die Belebung der Oederaner Innenstadt ist ihm ein Herzensanliegen, weil er auch selbst mit seiner Familie in der Stadt lebt. Seit Jahren entwickelt er mit seinem Team Ideen, wie zum Beispiel eine Outdoor-Fotoausstellung oder das Konzept des Regionalmarkts, um die Kleinstadt attraktiver zu machen. "Der Wettbewerb 'Ab in die Mitte' hilft dabei, da man einen konkreten Termin zur Abgabe der Projektideen hat", sagt er.

Einkaufspark
Der Einkaufspark "Zur Stanze" unweit der Innenstadt soll mit einem neuen Regionalmarkt belebt werden. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Spielplatz statt Brache

Unweit des Einkaufsparks zeigt mir Metzler bei herrlichem Sonnenschein ein weiteres Projekt, das aus dem Wettbewerb entstanden ist. Auf einem alten Fabrikgelände zwischen dem Einkaufspark und dem Marktplatz ist die Familien- und Erlebniswelt zu finden: mehrere Tausend Quadratmeter Spielplatz, Sitzplätze und Wiese zum Toben. Ich sehe viele Familien mit Kindern, die den Spielplatz nutzen und auch eine Gruppe älterer Herrschaften, die mit ihren Rollatoren in der Sonne sitzen. Sie beobachten das lebhafte Treiben. Metzler erzählt mir, dass sich gleich nebenan eine Einrichtung zum betreuten Wohnen befindet und die Bewohnerinnen und Bewohner oft hier sitzen.

Spielplatz
Die Familien- und Erlebniswelt lockt nicht nur Familien mit Kindern, sondern auch die Seniorinnen und Senioren aus dem nahe gelegenen betreuten Wohnen an. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Beim Rundgang über das Gelände zeigt mir Metzler das aktuelle Oederaner Projekt zur Innenstadtbelebung, das 2022 den ersten Preis beim Wettbewerb "Ab in die Mitte" gewonnen hat: der erste sächsische Wildkräuterpark mitten in der Innenstadt. Das Wort Park klingt für mich etwas irreführend. Darunter verstehe ich eine zusammenhängende Grünfläche. Aber der Wildkräuterpark besteht aus Infotafeln, die an verschiedenen Orten die Wildpflanzen und ihre Nutzung erklären. Auf der Tafel neben dem Spielplatz erfahre ich zum Beispiel etwas über Stachelbeeren und Johannisbeeren, die dort auch wachsen sollen. Meine Pflanzenkenntnisse gehen gegen Null und auch mit den Bildern kann ich im März die Pflanzen noch nicht auf dem Boden um mich herum erkennen. Im Sommer ist das bestimmt einfacher.

Acht Tafeln für Wildkräuterpark aufgestellt

Acht Tafeln wurden bereits aufgestellt, weitere sollen mit Pflanzungen neuer Kräuter folgen. Doch wie können Schilder die Innenstadt beleben, frage ich mich. "Wir haben eine Gruppe gefunden, die die Orte pflegen und betreuen wird", sagt Metzler. "Geplant sind auch Kurse zur Nutzung der Wildpflanzen und Führungen." Wildpflanzen seien derzeit im Trend und er erhoffe sich auch Anmeldungen aus anderen Städte für die Kurse. "Und dann kommen auch wieder neue Leute nach Oederan", hofft er.

Oederan Innenstadt
Der Platz vor der Kirche bietet Parkplätze und einen charmanten Blick. Menschen sieht man allerdings nur an der Sparkasse. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Nur wenige Meter entfernt vom Spielplatz kann ich von lebhaft nicht mehr sprechen. Auf dem Platz vor der Kirche sehe ich nur Menschen, wenn ich den Eingang vor der Sparkasse beobachte. Dabei bietet der Platz Parkplätze (sogar für eine bestimmte Zeit kostenfrei) und eine hübsche Häuserzeile. Nur die Zahl an Geschäften ist übersichtlich.

Bürger schweißen Metall-Engel

Metzler zeigt mir vor der Kirche einen großen Engel aus Metall. "Wir wollten ein Projekt zur Weihnachtsbeleuchtung machen, die in der Innenstadt ja eine wichtige Rolle spielt", erzählt er. Bürgerinnen und Bürger hatten den Engel wochenlang selbst in einer Schmiede geschweißt. "Das hat den Leuten sehr viel Spaß gemacht", so Metzler. "Viele wollen nun auch noch einen passenden Bergmann für den Engel bauen." Erste Geldspenden dafür seien bereits eingegangen, aber in diesem Jahr werde die Idee nicht mehr umgesetzt.

Engelsskulptur aus Metall
Der Engel aus Metall wurde von Einwohnerinnen und Einwohnern bei einem Schmied selbst geschweißt. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Beim Engel verabschiede ich mich vom Verantwortlichen fürs Stadtmarketing. Die restliche Innenstadt möchte ich allein erkunden. Ein Kaffee wäre jetzt gut. Das bringt Metzler etwas in Verlegenheit. "Da gibt es in der Innenstadt von Oederan leider nicht viele Möglichkeiten", gibt er zu. Neue Gastronomen und Einzelhändler finden sich in der Stadt nur sehr schwer. Schuld sind laut Metzler die Kaufkraft und die geringe Kundenfrequenz. Es fehlt also offenbar genügend Laufkundschaft.

Charmante Häuser, wenig Geschäfte

Ich bin mir sicher, dass ich schon etwas entdecken werde und mache mich auf den Weg. Weit ist es nicht von der Kirche zum Rathaus. Nur eine Querstraße und schon bin ich da. Bei meinem Spaziergang fentdecke ich sehr viele Autos, aber nur wenige Fußgänger. Ich finde die Innenstadt von Oederan ganz charmant: Die Häuser sind gepflegt und strahlen in der Sonne. Auch die Straßen und Bürgersteige sind gut in Schuss.

Vielerorts hängen große Hinweise an den Gebäuden, die auf Geschäfte deuten. Doch wenn ich näher komme, wird mir klar: Die Geschäfte gibt es gar nicht mehr. Das Schild "Café" weckt große Hoffnungen in mir. Doch wieder nichts. Wann es in diesem Gebäude zuletzt Kaffee gab, kann ich nur raten.

Oederan Innenstadt
Hübsche Häuser zieren die Gassen der Oederaner Innenstadt. Geschäfte sucht man aber oft vergebens. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Auf dem Platz vor dem Rathaus treffe ich auf das Ehepaar Müller. Es war gerade beim Herrenausstatter einkaufen. Die Müllers gehen bewusst in der Stadt einkaufen, weil sie kleine Läden und regionale Händler unterstützen wollen, sagen sie. "Es sind weniger Geschäfte in den letzten Jahren geworden." Das Ladensterben mache vor Oederan nicht Halt. "Mir ist es wichtig, mit den Menschen in den Geschäften auch immer ein paar persönliche Worte zu wechseln", sagt Herr Müller. Die Familien- und Erlebniswelt finden beide ganz toll und besuchen den Spielplatz öfter mit ihren Enkeln.

Wenig Laufkundschaft in der Oederaner Innenstadt

Ich suche weiter ein Café. Die Müllers haben mir einen Bäcker als Tipp mit auf den Weg gegeben. Den gibt es in Verbindung mit einer Fleischerei, aber gemütlich in die Sonne setzen kann ich mich dort nicht. Außensitzplätze suche ich in der ganzen Innenstadt vergebens. Dafür entdecke ich einen kleinen Laden. Das Schild kommt mir bekannt vor und in meinen Notizen sehe ich, dass es sich um den künftigen Betreiber des Regionalmarkts handelt, von dem mir Metzler erzählt hatte. Kurz entschlossen gehe ich rein und komme mit dem Verkäufer ins Gespräch. Auch er lebt in Oederan. Seitdem viele Supermärkte von der Innenstadt weiter nach draußen gezogen sind, gebe es weniger Laufkundschaft. Er erhofft sich einen Aufschwung, wenn der Regionalmarkt öffnet. "Mir sind auch Läden mit Charakter wichtig", sagt er.

Oederan Innenstadt
Auch auf dem Platz vor dem Rathaus trifft man kaum Menschen. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Projektleiter Innenstadtwettbewerb: "Handel allein ist nicht die Lösung"

Wenn ich die Menschen auf Innenstadtbelebung anspreche, reden die meisten mit mir ausschließlich über Einzelhandelsgeschäfte. Doch in Zeiten des Onlinehandels und immer größerer Mobilität bis ins hohe Alter kann das nicht mehr die alleinige Lösung sein, ist sich der Projektleiter von "Ab in die Mitte", Eddy Donat, sicher. "Wir müssen den Blick weiter richten, als nur auf den Handel", sagt er. "Deswegen legen wir beim Wettbewerb auch einen Schwerpunkt auf die Stadtentwicklung." Dabei gehe es darum, Plätze umzugestalten und Brachen wiederzubeleben."

Innenstädte müssten zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt werden, der viele Zielgruppen anspreche. Dazu brauche es Sitzgelegenheiten, Spielplätze und Grünflächen, aber auch vielfältige Nutzungsmöglichkeiten, so Donat. "Neben dem Einzelhandel auch ein Café, eine Eisdiele oder auch soziale Treffpunkte und Dienstleistungen aller Art. Durch diesen Mix wird auch eine Kleinstadt wieder interessant."

Mann zeigt auf Illustration
Eddy Donat, Projektleiter von "Ab in die Mitte", zeigt die Projektideen, die in den vergangenen 20 Jahren von Oederan beim Wettbewerb eingereicht wurden. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Oederan will wieder bei "Ab in die Mitte" mitmischen

Ob dieser Ansatzpunkt für Oederan eine Rolle spielen wird? Genau werden wir das erst erfahren, wenn Anfang September Einsendeschluss für den diesjährigen Ideenwettbewerb ist. Eins ist aber auf jeden Fall klar: Oederan will sich für die neue Wettbewerbsrunde "Ab in die Mitte" wieder etwas einfallen lassen - für die Innenstadt und seine Einwohner.

Wettbewerb "Ab in die Mitte" 2023 - Der Innenstadtwettbewerb "Ab in die Mitte! Die City-Offensive Sachsen" findet 2023 zum 20. Mal statt.
- Unter dem Motto "20 Jahre 'Ab in die Mitte!': Netzwerke stärken – Transformation gestalten" sucht Sachsen mit Partnern aus der Wirtschaft herausragende Ideen und Konzepte, die der städtebaulichen Erneuerung neue Impulse geben.
- Grundidee des Wettbewerbs ist es, mehr Leben und damit auch mehr Besucher in die sächsischen Ortszentren zu bringen.

- Es gibt Preisgelder in Höhe von insgesamt 300.000 Euro.
- Dem Sieger winken 60.000 Euro für die Umsetzung seines Vorhabens, den zwei Zweitplatzierten jeweils 40.000 Euro und den drei Drittplatzierten jeweils 20.000 Euro.
- Darüber hinaus werden mehrere themen- und sachbezogene Preise vergeben.

- Einsendeschluss für die Wettbewerbsbeiträge ist der 8. September 2023.
- Die Preisverleihung des Wettbewerbs 2023 soll am 14. November 2023 in Meißen stattfinden. Quelle: Sächsisches Ministerium für Regionalentwicklung

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 23. März 2023 | 19:00 Uhr

Mehr aus Flöha und Hainichen

Mehr aus Sachsen

Kultur

Gemälde, ein Mann steht auf einem hohen Felsen, vor ihm eine Landschaft mit Felsen und Nebelschwaden. mit Audio
Caspar David Friedrichs berühmtes Bild "Der Wanderer über dem Nebelmeer" – Inspiration dafür erhielt der Maler im Elbsandsteingebirge. Bildrechte: picture-alliance/ dpa/dpaweb | Folkwang-Museum/Elke Walfo