Foto zeigt eine Person, die auf dem Tempelhofer Feld im Dunkeln ein Hula-Hoop-Reifen um sich dreht. Das Bild stammt aus einer Reihe von Loretta Fahrenholz. 4 min
Die Ausstellung "Techno Worlds" erzählt die Geschichte der Musikkultur mit Kunst. Bildrechte: Anja Schneider
4 min

In der Robotron-Kantine in Dresden wird gerade die Wanderausstellung "Techno Worlds" gezeigt. Die Schau erzählt die Geschichte der sagenumwobenden Musikszene. Grit Krause von MDR KULTUR war vor Ort.

MDR KULTUR - Das Radio Mo 06.05.2024 12:40Uhr 04:09 min

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"Techno Worlds" Techno in Dresden: Ausstellung zeigt utopische Kraft der Clubkultur

05. Mai 2024, 17:20 Uhr

Die Wanderausstellung "Techno Worlds" des Goethe-Instituts ist zu Gast in der Robotron-Kantine in Dresden. Internationale Künstlerinnen und Künstler haben sich in Installationen und Videoarbeiten mit dieser besonderen Szene auseinandergesetzt. Die Werke zeigen, dass Techno nicht nur für Hedonismus und Ekstase steht, sondern auch für Veränderung und Hoffnung. In Dresden wird auch die lokale Geschichte beleuchtet und Dresden als zentraler Techno-Ort in den 90er-Jahren porträtiert.

Eine Ausstellung zu Technokultur in der unsanierten Robotron-Kantine – das passt. Weniger, weil dort zeitweise die Diskothek Mellys ihr Domizil hatte, sondern weil der Ort nach wie vor den maroden Charme der alten, verlassenen Gebäude und Industrieanlagen versprüht, in denen nach dem Mauerfall 1989 die meist illegalen Partys stattfanden und zahlreiche, zum Teil legendäre Underground-Clubs entstanden.

Auf einem Fernseher in einer dunklen Umgebung ist eine Filmszene zu sehen, die eine Person vor leuchtenden Getränkeautomaten zeigt. Den Film halt Carsten Nicolai gedreht.
Viele Bilder aus der Vergangenheit werden in der Robotron-Kantine gezeigt. Bildrechte: Anja Schneider

Auf diese Anfänge in Deutschland blickt Robert Lippok mit seiner Installation "Objects und Bodies". Ein verwirrendes Knäuel an Kabeln, Unmengen an Schaltkreisen, psychedelische Bilder, die über zwei Monitore flimmern und sich stetig wiederholende Samples: "Ich wollte schauen, aus welchen Quellen sich Techno in den Neunzigern gespeist hat und habe mit Hilfe von Modularsynthesizern so ein ganz einfaches Setup gebaut, was in sich funktioniert", erklärt der Künstler.

Bei Techno ging es ja immer um Maschinenmusik, das war damals so ein ganz populärer Begriff. Den wollte ich aufbrechen.

Robert Lippok Künstler

"Es braucht keinen Operator, es braucht keinen DJ, keinen Künstler hinter dem Pult. Das machen die Maschinen ganz allein, weil bei Techno ging es ja immer um Maschinenmusik, das war damals so ein ganz populärer Begriff. Den wollte ich so ein bisschen aufbrechen und weiterführen", so Lippok.

Ausstellung über Anfänge des Techno

Die Wiege des Techno liegt aber nicht etwa in Berlin oder Frankfurt am Main. Er reicht weiter zurück, bis Anfang der 1980er-Jahre. Schauplatz war damals die Auto-Metropole Detroit und die Künstler kamen aus der afroamerikanischen Community. Es sei ein "Befreiungsschlag der afroamerikanischen Underground-Szene" erläutert Christiane Mennicke-Schwarz, Leiterin des Kunsthauses Dresden und eine der Kuratorinnen der Ausstellung "Techno Worlds".

Eine von der Decke hängende Kunstinstallation von Dominique White aus abgenutzten handgewobenen Netzen, erschlafften Bojen und Bast.
Die Installation von Dominique White erzählt von der utopischen Kraft des Techno. Bildrechte: Anja Schneider

Die Wirtschaft brach in der Autostadt gerade zusammen und die junge Szene nutzte die Räume um und entwickelte den neuen Musik-Stil mit den ungenutzten Maschinen, beschreibt die Austellungsmacherin: "Letztendlich war das ja alles ein Experiment mit Equipment, was irgendwie da war und jemand anderes hat liegen lassen."

Gleichzeitig ließen sich die Musiker, wie auch Künstlerinnen und Künstler vom Mythos eines schwarzen Atlantis inspirieren. Ein weiteres düsteres Kapitel des Sklavenhandels, das davon handelt, dass Schwangere auf der Überfahrt von Westafrika nach Amerika über Bord geworfen wurden. Deren Kinder, erzählt die Sage, fanden ein neues Zuhause in Drexciya, so der Name einer Unterwasserwelt. 

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Bildrechte: Deutsche Welle

Geschichte einer Utopie

Die britische Künstlerin Dominique White greift diese Geschichte für ihre Installation aus alten Fischernetzen, Tauen, Ankerresten und Foliefetzen auf. "Es sind Materialien, die etwas mit der Seefahrt zu tun haben, viel am Strand gefundenes Material", eklärt Kuratorin Christiana Mennicke-Schwarz. Es sei ein "starkes Bild, dieses Gestrandet-Sein, dieses Untergegangen-Sein, aus dem sich etwas Neues wieder gründet, wo eine neue Kraft entsteht", so die Leiterin des Dresdner Kunsthausese.

Vier Schaufensterpppen sind in originaler Techno- und Rave-Mode der 1990er-Jahre gekleidet, zusammengesellt von Kerstin Greiner.
In den 90er-Jahren war der Osten ein Mekka der Techno-Szene. Originale Techno- und Rave-Mode aus dieser Zeit ist in Dresden zu sehen. Bildrechte: Anja Schneider

Eine andere, bessere Welt, ohne Rassismus, ohne Benachteiligung, die noch Raum zum Gestalten lässt – das verbindet sich in der Technokultur: dieses Auflösen des Individuums in einer wogenden Menge. Ein Safe Space, ein sicherer Ort, an dem alle Menschen gleich sind. Diese Themen, aber auch die verkannten Heldinnen der Szene, Drogen und die Kommerzialisierung, all das wird in der vom Goethe-Institut konzipierten Wanderausstellung "Techno Worlds" verhandelt.

Auch die Dokumentation "Sisters with Transistors: Die verkannten Heldinnen der elektronischen Musik" wird gezeigt. Diese zeigt, welche Rollen Frauen in der Pionierphase der elektronischen Musik gespielt haben und kann gerade in der ARTE-Mediathek geschaut werden.

Blick in die Clubgeschichte Dresdens

Neben den internationalen Positionen wurden auch sechs Künstlerinnen und Künstler rund um Dresden – die Stadt, die Anfang der 1990er-Jahre noch als Kleines Detroit des Ostens bekannt war – mit ihren Arbeiten eingeladen.

Leute sind aus der ganzen Bundesrepublik angereist, um hier zu feiern.

Felix Buchta Sprecher Klubnetz‘ Dresden

"Leute sind aus der ganzen Bundesrepublik angereist, um hier zu feiern", erinnert Felix Buchta vom Dresdner Club Objekt Klein A und Sprecher des Klubnetz‘ Dresden. "Besonders war eben, deswegen das Kleine Detroit des Ostens, dass DJs von Rang und Namen aus Übersee hier eingeflogen wurden und ganz progressive, hochkarätige Musik auf die Plattenteller gelegt haben."

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Bildrechte: Deutsche Welle

Felix Buchta hat diese glorreiche Vergangenheit, aber auch die gegenwärtige Club- und Freetekno-Szene für die Ausstellung dokumentiert. Dazu gehört auch das Clubsterben – damals aufgrund von Gentrifizierung und nun wieder bedingt durch Corona und alle danach folgenden Krisen. Insofern kann er damit leben, dass die nach wie vor vitale Technokultur aktuell quasi ins Museum kommt – um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, aber auch, um entsprechend gewürdigt zu werden.  

Weitere Informationen

"Techno Worlds"
Ausstellung vom 5. Mai bis 28. Juli 2024

Robotron-Kantine
Lingnerallee am Skatepark, 01069 Dresden

Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Freitag, 16 bis 19 Uhr
Samstag und Sonntag, 12 bis 18 Uhr

Veranstaltungen (Auswahl):
4. Mai 2024 ab 18 Uhr: Ausstellungseröffnung
25. Mai 2024, ab 11 Uhr: Fachtag Clubkultur
Jeden 1. und 3. Sonntag finden um 12 Uhr Ausstellungs-Rundgänge statt

Der Eintritt ist frei.

Redaktionelle Bearbeitung: tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. Mai 2024 | 08:10 Uhr

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