Eine Katze und eine Justitia Figur mit Büchern auf einem Holzuntergrund.
Jeden Samstag blickt MDR AKTUELL auf die "Urteile der Woche" – im Podcast und nachzulesen auf MDR.de. Auch ein Fundkater beschäftigte die Juristen 2023. Bildrechte: Colourbox.de

Jahresrückblick Streitfälle 2023: Zum Kopfschütteln, Schmunzeln und Zweifeln

27. Dezember 2023, 10:45 Uhr

Eine Mutter hat ihre Tochter wegen eines Katers verklagt. Eine Radfahrerin blieb straffrei, obwohl sie eine rote Ampel überfuhr. Ein Parkhausbetreiber haftet nicht für Schäden durch Sex auf der Motorhaube. Wir erklären, warum – und haben noch weitere skurrile Urteile des Jahres 2023.

Fundkater zurück in angestammter Wohnung

Miriam Miez* und ihre Tochter Mimi finden im Jahr 2013 Kater Kalle vor ihrer Hauseingangstür. Beide nehmen den Kater in die gemeinsame Wohnung auf und so bleibt Kalle auch dort, als Tochter Mimi 2016 bei der Mama auszieht. Sechs Jahre später nimmt Mimi den Kater aus der Wohnung ihrer Mutter mit, seitdem lebt er bei der Tochter. Mutter Miriam vermisst Kalle allerdings und es kommt, wie es kommen muss, damit dieser Fall vor Gericht landet. Mutter Miriam verklagt ihre Tochter auf Herausgabe des Katers. Zu Recht?

Die Richter des Landgerichts Köln haben Folgendes entschieden: "Wird ein gefundener Kater in den Haushalt aufgenommen, ohne ihn als Fundtier zu melden, entsteht kein rechtliches Eigentum an dem Tier. Kommt es zum Streit um den Vierbeiner, ist daher entscheidend, wer zuletzt die faktische Verfügungsgewalt darüber hatte. Besitzerin war hier die Mutter, weil sich der Kater zuletzt bei ihr aufgehalten hat. Die Tochter hat verbotene Eigenmacht verübt, indem sie vergangenes Jahr den Kater ohne Zustimmung ihrer Mutter mitnahm." Tochter Mimi muss ihrer Mutter Miriam Kater Kalle zurückgeben. Landgericht Köln (Az.: 9 S 26/23)

Radfahrerin fährt über Rot – Gericht gibt ihr Recht

Petra Pedale* ist leidenschaftliche Radfahrerin in Hamburg. Auch vergangenen Sommer sitzt sie häufig im Sattel. An einem Juli-Abend wartet sie allerdings geraume Zeit an einer roten Ampel. Die Minuten vergehen, nichts tut sich. Als es einfach nicht Grün wird, fährt sie schließlich über Rot, wird erwischt und muss 100 Euro Geldbuße wegen eines vorsätzlichen Rotlichtverstoßes zahlen. Petra Pedale legt Einspruch ein. Sie ist davon ausgegangen, dass die Ampel defekt war. Loszufahren war für sie weder vorsätzliches noch fahrlässiges Verhalten.

Der Fall landet beim Oberlandesgericht Hamburg. Zur Urteilsfindung hat man sich die Ampel ganz genau angesehen und herausgefunden, dass es Anlagen gibt, die mithilfe einer sogenannten Bedarfsschleife merken, wenn Fahrzeuge ankommen. Sie schalten dann auf Grün – sonst bleibt es Rot. Im Fall von Frau Pedale, wurde diese Bedarfsschleife durch das Rad allerdings nicht aktiviert und die Richter erließen der Klägerin das Bußgeld. Im Urteil heißt es: "Liegt eine Funktionsstörung wie in diesem Fall vor, ist die Halteanordnung der roten Ampel nichtig." Petra Pedale muss kein Bußgeld zahlen. Oberlandesgericht Hamburg, Az. 5 ORbs 25/23

Fahrer muss keinen Schadenersatz für geschrotteten Lamborghini leisten

Toni Turbo bekommt von seiner Frau Thea etwas ganz Besonderes geschenkt, und zwar einen 150.000 Euro teuren Lamborghini. Zumindest für eine halbstündige Ausfahrt. Im Oktober 2018 löst Toni Turbo seinen Gutschein ein – mit schlimmen Folgen. Der PS-Liebhaber verliert die Kontrolle über den Wagen, entwurzelt zwei Bäume und rammt einen dritten frontal. Das Ergebnis: Totalschaden.

Das Autohaus verlangt von Familie Turbo nun Schadenersatz und klagt. Allerdings erfolglos. Sowohl das Landgericht, als auch das Oberlandesgericht Dresden sehen bei Toni Turbo keine Schadenersatzpflicht: "Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Für den Schaden muss er nicht zahlen." Oberlandesgericht Dresden, Az: 13 U 2371/22

Currywurst mit falschem Fuffziger bezahlt

Theo Trickser* ist 16 Jahre alt und hat eine, wie er sich im Nachhinein eingestehen muss, ziemlich dumme Idee. Online kauft er sich Spielgeld – mehrere Scheine. Der Hersteller weist eindringlich darauf hin, dass es sich nicht um ein echtes Zahlungsmittel handelt. Trotzdem will Theo wissen, ob er seine Currywurst an der Imbissbude vielleicht doch mit 50 Euro Falschgeld bezahlen kann. Kurzum: Er wird erwischt. Bei einer Hausdurchsuchung werden mehr als 22.000 Euro in unechten Banknoten bei ihm gefunden. Seine Aktionen filmt er außerdem für die sozialen Medien.

Theo Trickser wird vor dem Amtsgericht Düsseldorf angeklagt und verurteilt: "Der Angeklagte wird wegen Inverkehrbringens von Falschgeld in Tateinheit mit Betrug zur Ableistung von 30 Sozialstunden verurteilt." Amtsgericht Düsseldorf, Az. Ds 377/22

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Vermeintlicher Erbe von Millionen-Vermögen geht leer aus

Sarah Saarmann ist alleinstehend und ohne Kinder. Ihr Vermögen von mehreren Millionen Euro will sie laut Testament ihrem langjährigen Steuerberater vermachen. In einem Erbvertrag – vom Notar unterzeichnet – ist der Steuerberater als alleiniger Erbe eingesetzt. Kurze Zeit später stirbt die Erblasserin. Um den Erbschein zu erteilen, holt das zuständige Amtsgericht ein psychiatrisches Gutachten ein. Demnach war die Verstorbene aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage, wirksam zu testieren.

Der Steuerberater geht dagegen in Berufung. Ohne Erfolg am Oberlandesgericht Celle: "Laut psychiatrischem Gutachten litt die Verstorbene zur Zeit des geschlossenen Erbvertrages unter wahnhaften Störungen. Damit war sie nicht in der Lage, wirksam ein Testament aufzusetzen. Der Erbvertrag ist damit nicht rechtmäßig zustande gekommen." Das Vermögen von mehreren Millionen Euro fällt damit an die gesetzlichen Erben der Verstorbenen. Oberlandesgericht Celle (Az. 6 U 2/22)

Autofahrer haftet zu drei Viertel für Biss durch angefahrenen Hund

Waldemar Waldecke* ist mit seinem Rauhaardackel im Wald unterwegs. Dort nähert sich ein Auto auf dem Waldweg. Der Fahrer übersieht dabei den an der Leine laufenden Hund. Das Auto überrollt diesen und nun liegt der Dackel wie tot da. Der Hundehalter geht auf sein Tier zu, das offenbar doch noch lebt und wird von ihm ins Handgelenk gebissen. Wer haftet nun für die Folgen?

Bei der gegnerischen Autoversicherung ist man der Ansicht, der Hundehalter hätte sich dem überfahrenen Dackel vorsichtiger nähern müssen. Doch die Richter am Oberlandesgericht Celle sehen das anders: "Zum Biss des Hundes ist es gekommen, weil das Tier nach dem Anfahren in einen Schockzustand gefallen ist. Damit hängt der Vorfall unmittelbar mit der Betriebsgefahr des Fahrzeuges zusammen. Der Hundehalter hätte aber nicht davon ausgehen dürfen, dass der Hund tot ist und jederzeit mit einem Biss rechnen müssen."

Die Kfz-Haftpflichtversicherung haftet in diesem Fall zu drei Viertel gegenüber der Krankenversicherung des Hundehalters. Oberlandesgericht Celle (Az.: 14 U 19/22)

Parkhausbetreiber haftet nicht für Schäden durch Sex auf der Motorhaube

Sex im Parkhaus ist sicher nicht häufig, kommt aber vor. Probleme gibt es vor allem dann, wenn dieser auf der Motorhaube eines fremden Fahrzeugs stattfindet. Als Herr Wiedenbach morgens zu seinem Auto im Parkhaus zurückkehrt, staunt er nicht schlecht: Sein teurer Schlitten hat überall Kratzer und Dellen. Von den Verursachern fehlt verständlicherweise jede Spur. Herr Wiedenbach bittet deshalb den Parkhausbetreiber, die Bilder der Überwachungskamera anzuschauen. Darauf sind zwei Personen klar auf der Motorhaube erkennbar. Identifizieren kann man aber weder Geschlecht noch Aussehen. Dennoch fordert der Geschädigte rund 4.700 Euro Schadenersatz vom Parkhausbetreiber.

Am Kölner Landgericht weist man die Klage ab: "Die Pflichten eines Parkhausbetreibers gehen nicht so weit, dass er das Geschehen im Parkhaus per Video ununterbrochen beobachten muss, um mögliche Verstöße gegen die Sicherheit und Ordnung bemerken oder gar verhindern zu können. Auf den Aufzeichnungen ist außerdem nur ein Zeitraum von neun Minuten dokumentiert, in dem das Paar auf dem Auto aktiv war." Diese Zeitspanne ist laut Gericht zu kurz, um den Betreiber zur Rechenschaft ziehen zu können. Kölner Landgericht (Az.: 21 O 302/22)

Schlägerei wegen zugeparkter Einfahrt kein Arbeitsunfall

Detlef Denske arbeitet als Bauleiter, heute muss er mit dem Auto zu einem wichtigen Termin auf das Betriebsgelände seines Arbeitgebers fahren. Ein Lkw blockiert allerdings die Einfahrt. Auch auf Anfrage will der Lkw-Fahrer nicht wegfahren. Deshalb muss der Bauleiter sein Auto stehen lassen und zu Fuß gehen. Es kommt zu heftigen Beschimpfungen zwischen ihm und dem Falschparker. Der Bauleiter bezeichnet den Fahrer dabei als "egoistisches Arschloch". Nun allerdings gerät der in Rage: Er wolle die Sache "endgültig ausdiskutieren", sagt er. Bei der folgenden Schlägerei erleidet der Bauleiter eine Mittelgesichtsfraktur, die operiert werden muss. Ist das ein Arbeitsunfall?

Nein, sagte die Unfallversicherung. Und das Sozialgericht Berlin stimmte zu: "Eine Schlägerei mit einem Falschparker während der Arbeitszeit hat mit Arbeit nichts zu tun. Vielmehr ist das Zurechtweisen anderer Verkehrsteilnehmer auf dem Weg zur Arbeit oder auf Betriebswegen dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Denn das Zur-Rede-Stellen erfolgte hier aus rein privaten Gründen und diente nicht der betrieblichen Tätigkeit." Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz greift hier also nicht. Sozialgericht Berlin (AZ: S 98 U 50/21)

Beamter verschläft 816 Mal, darf aber im Dienst bleiben

Nico Nickerchen arbeitet als Oberregierungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Der Start in den Arbeitstag fällt ihm regelmäßig schwer und so kommt er zwischen 2014 und 2018 an 816 Tagen zu spät zum Dienst. Insgesamt summiert sich das auf eine Verspätung von 1.614 Stunden. Legt man eine 41-Stunden-Woche zugrunde, kommt es zu Fehlzeiten von knapp neun Monaten. Als der Dienstherr im März 2015 Kenntnis davon erlangt, leitet er ein Disziplinarverfahren ein. Auf die erhobene Disziplinarklage entfernt das Verwaltungsgericht Düsseldorf den Beamten aus dem Beamtenverhältnis. Zu Recht?

Das musste das Bundesverwaltungsgericht Leipzig höchstrichterlich entscheiden: "Aus dem Beamtenverhältnis kann Nico Nickerchen nicht ohne Weiteres entfernt werden. Zwar hat der Beamte ein schweres Dienstvergehen begangen, jedoch ist die disziplinäre Höchstmaßnahme nicht gerechtfertigt. Die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen kann nicht mit einem monatelangen Fernbleiben von Dienst gleichgesetzt werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Dienstherr zunächst mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten hätte einwirken müssen. Der Beamte wird vom Amt des Oberregierungsrates in das eines Regierungsrats zurückgestuft." Bundesverwaltungsgericht, Az. 2 C 20.21

Mann muss Beerdigung von unbekanntem Halbbruder bezahlen

Arno Ahnungslos* lebt mit seiner Familie in einem beschaulichen Örtchen in Hessen, als eines Tages ein behördlicher Kostenbescheid in den Briefkasten flattert. Darin wird Arno Ahnungslos aufgefordert, die Beerdigung seines Halbbruders zu bezahlen. Das ist für ihn deshalb so überraschend, weil er bis zu dem Schreiben nichts von der Existenz des Halbbruders wusste. Nach Angaben des Gerichts wurde der Verstorbene als Jugendlicher von einem anderen Elternpaar adoptiert. Die gemeinsame Mutter hatte Arno nie von seinem Halbbruder erzählt und so klagt er gegen den Kostenbescheid. Als Begründung gibt er an, dass es unbillig sei, mit der Bestattung einer fremden Person und den damit verbundenen Kosten belastet zu werden.

Das Verwaltungsgericht in Mainz sieht das anders: "Die nächsten Angehörigen müssen auch dann eine Bestattung bezahlen, wenn sie den Verstorbenen gar nicht kannten. Ein fehlendes familiäres Näheverhältnis hat keine Auswirkungen auf die gesetzliche Bestattungspflicht. Entscheidend ist lediglich das objektiv bestehende nahe Verwandtschaftsverhältnis. Die Bestattungspflichtigen stehen dem Verstorbenen näher als die Allgemeinheit, die ansonsten für die Bestattungskosten aufkommen muss." Arno Ahnungslos muss die Beerdigung seines Halbbruders bezahlen. Verwaltungsgericht Mainz, AZ: 3 K 425/22

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Urteile der Woche | 23. Dezember 2023 | 08:22 Uhr

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