Labor Maus
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Wissen-News Erste funktionelle Hirnchimären aus Maus und Ratte entwickelt

29. April 2024, 04:59 Uhr

Forschende haben in zwei Studien erstmals Mäuse mit chimären Gehirnen vorgestellt, bei denen Teile aus Rattenzellen stammen. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, diverse neurologische Forschungsfragen zu beantworten.

In den beiden Arbeiten wurden erstmals Mäuse mit chimären Gehirnen präsentiert. Diese Organe wurden durch die Methode der sogenannten Blastozystenkomplementierung gewonnen. Dabei können Stammzellen einer artfremden Spezies in den frühen Embryo im Blastozystenstadium eingebracht werden. Diese sollen dann zu einem Organ heranwachsen, das der entwickelnde Embryo nach einem genetischen Eingriff selbst nicht mehr ausbilden kann.

Experimente mit genetisch veränderten Mäusen

In der ersten Studie von Forschungsleiterin Kristin Baldwin von der Columbia Universität wurde eine Mauslinie verwendet, der das Riechvermögen fehlt. Die Embryonen dieser Mauslinie wurden experimentell mit Riechzellen von Ratten komplementiert. Durch diese Rattenzellen konnten die Mäuse teilweise wieder ihr Futter wieder anhand des Geruchs erkennen.

Die zweite Studie des Forschungsteams um Gruppenleiter Jun Wu vom UT Southwestern Medical Center in Dallas generierte einige lebensfähige Mäuse, die Vorderhirngewebe aus Rattenneuronen ausbildeten. Diese Mäuseembryonen waren zuvor genetisch so modifiziert worden, dass sie kein Vorderhirn mehr entwickelten. Mit den artfremden embryonalen Ratten-Stammzellen konnten sie aber komplementiert werden.

Ein mögliches Ziel: Organe in fremden Spezies züchten

Die Erkenntnisse aus beiden Studien könnten dazu beitragen, therapierelevanten Forschungsfragen nachzugehen. Zum Beispiel inwiefern neue Nervenzellen verloren gegangene ersetzen könnten, um daraus Therapieansätze zu entwickeln, mit denen man krankheits- und altersbedingt verlorene Hirnfunktionen wiederherstellen kann.

Die Studien könnten auch dabei helfen, Blastozystenkomplementierung einzusetzen, um menschliche Organe in artfremden Spendertieren wachsen zu lassen, zum Beispiel in Schweinen. Bislang ist es nicht möglich, interspezies-Organe zu erzeugen.

Ethiker sehen Experimente sehr kritisch

Weltweit verfolgen Forschende aus dem Bereich Ethik und Recht vor allem die Hirnchimärenforschung kritisch. Zum Beispiel wird diskutiert, inwiefern ein chimäres Gehirn die Wahrnehmung der Versuchstiere beeinflussen kann. Besonders kritisch werden hier Ansätze verfolgt, bei denen menschliche Gehirnanteile in beispielsweise Mäusen oder sogar nicht humanen Primaten integriert werden. Denn Menschen und nicht humane Primaten sind evolutionär ähnlich nah verwandt wie Ratte und Maus – Mensch und Affe noch enger.

cdi/pm

Dieses Thema im Programm: Deutschlandfunk Kultur | 09. November 2023 | 18:08 Uhr

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